Liang Geliang, der best Allrounder aller Zeiten

Können Sie sich vorstellen, einmal bei einem Turnier als Abwehrspieler zu glänzen, einige Monate später dann ganz auf Offensive zu setzen und gleichfalls erfolgreich zu sein, und schließlich, Jahre danach, die Konkurrenz als Allrounder zu verblüffen? Das gibt es doch gar nicht, mag der eine oder andere denken. Irrtum. Einen solchen Spieler gab es; und dieser hat, in den Siebziger Jahren, nicht nur seine Mitbewerber im eigenen Land verblüfft, sondern, etwas salopp formuliert, aber dennoch zutreffend, die ganze Welt. Es war dieser Liang Ko-liang, nach der Abwendung vom Maoismus in China Liang Geliang genannt.

Als er zehn Jahre alt war, hat ihm seine Mutter den ersten Schläger gekauft; und dann hatte er das Glück, schon bald von einem wirklich guten Trainer betreut zu werden, der, konsequent, beharrlich, aber auch streng, seine Anfängerfehler korrigierte und ihm die technischen Voraussetzungen beibrachte, ohne die man auch im Tischtennis nie ein Großer werden kann. Und ein Großer, das war Liang - und ist es noch heute, wenn man sich seine Erfolge im Sport der Senioren ansieht.

Doch zurück zu jenem Jahrzehnt, in dem er die internationale Szene beherrschte.
"Er wußte alles über dieses Spiel - und er konnte alles", hat ihn einmal Zdenko Uzorinac, ein kroatischer Journalist und Schriftsteller, charakterisiert. "Ein großer Meister, brachte er die Bälle aus den entferntesten Ecken der Box zurück - und machte mit plötzlichen Kontern dann noch überraschend den Punkt." Es waren nicht zuletzt diese schnellen, überfallartigen Vorhandschüsse, mit denen er seine Kontrahenten immer wieder aus dem Rhythmus brachte. Kurze Bewegungen, den Vorhandtopspin dicht vor dem Körper gezogen, ein Stellungsspiel, das mit dem Prädikat "hervorragend" belegt werden kann; und dann dieses Auge.! Auf dem verkehrten Fuß erwischt worden zu sein, mehrfach: Welcher Spieler auf der anderen Seite des Tisches kann sich daran nicht erinnern? Uzorinac, der einst selbst Jugoslawien international im Tischtennis vertrat: "Seine Überraschungen, seine Tricks, seine unerwarteten Lösungen schienen ihm nie auszugehen."

Sechsmal wurde er Weltmeister, dreimal gelangte er zudem in ein WM-Finale, und viermal konnte er noch eine Bronzemedaille der ITTF in Empfang nehmen. Dazu die Triumphe bei kontinentalen und bei zahllosen Internationalen Meisterschaften, im Einzel ebenso wie im Doppel. Es gab da aber auch ein Finale, an das er nicht gerne erinnert wird. Bei seinem WM-Debut noch hatte er mit dem Team ganz oben auf dem Podest gestanden, zwei Jahre später aber, in Sarajewo, blieb nach einem 4:5 nur Rang 2. Er selbst gewann weder gegen Stellan Bengtsson noch gegen Ingemar Wikström und, im alles entscheidenen Einzel, gegen Kjell Johansson auch nur einen einzigen Satz...

Für die damalige Zeit absolut ungewöhnlich, war sein Verhalten in der Box: Liang lachte, wenn Bälle besonders gut gelungen waren, auch dann, wenn sein Gegner einen solchen gespielt hatte; und manchmal rannte er durch die Box bis zur Bande, um nach einem solchen Punktgewinn zu gratulieren - dem Coach seines Kontrahenten. Eine für Sportler aus der Volksrepublik China, in der er aufgewachsen ist, damals absolut ungewöhnliche Geste.

Seit fast zwei Jahrzehnten zunächst mit Unterbrechungen, lebt Liang Geliang nun in Deutschland, mit Frau und Tochter, die als Jugendliche selbst einmal einem Landeskader angehört hat. Der nur 1,66 Meter große Sportler ist ein leidenschaftlicher Tüftler, dessen Schläger einst geheimnisumwittert war. Das chinesische Holz ist ungefähr ein Drittel schwerer als herkömmliche Hölzer, die im Westen Europas vertrieben werden, sehr hart und extrem schnell. Doch der Ausnahmekönner mit der lockeren Hand, der schon in seiner großen Zeit Probleme mit dem Magen hatte und vor einigen Jahren einen schweren Autounfall relativ unbeschadet überstanden hat, versichert: "Geheimnisse um das Material? Die gibt es eigentlich nicht mehr. Wichtig ist allein, daß es eine totale Identifikation zwischen dem spielerischen Können und dem Material gibt."