Jochen Leiß, 3-facher Deutscher Meister des Jahres 1974

Alles begann vor knapp 40 Jahren. Jochen Leiß war damals zwölf und somit in jenem Alter, in welchem sich sein Sohn Tim heute befindet. Handball spielte er am liebsten, manchmal auch Fußball - bis zu jenem Tag, an dem sein Vater Franz zu ihm sagte: "Junge, komm doch mal mit zum Tischtennis." Da stand er dann in der Halle - und sah sich fast ausnahmslos Erwachsenen gegenüber. Ob in den ersten Trainingswochen Tränen geflossen sind, weiß er nicht mehr; wohl aber erinnert er sich daran, dass ein damals 19-Jähriger prophezeite: "Wenn du weiter machst, wirst du in zwei Jahren Stadtmeister."

Der junge Mann sollte recht behalten.

Damit hatte er freilich nur die unterste Sprosse der Karriereleiter erreicht. Als 14-Jähriger schon spielte er in der 1. Herrenmannschaft des Mettmanner TV. "Wir stiegen kontinuierlich auf, bis wir 1969 in der 1. Bundesliga angelangt waren." Drei Jahre später wurde dann bereits der Gewinn der Deutschen Mannschafts-Meisterschaft gefeiert...

Erfolge freilich gab es für Jochen nicht nur im Team. Mit 19 wurde er erstmals in der Rangliste des DTTB geführt, auf Position 12 - und mit 24 war er die Nummer 1 in Deutschland. Beleg auch für jene Leistung, die der Linkshänder in der Saison 1973/74 gebracht hatte - nicht zuletzt bei den Nationalen Deutschen Meisterschaften in Saarbrücken. Da nämlich war ihm etwas gelungen, was zuvor nur drei andere erreicht hatten: das Turnierwochenende in allen drei Wettbewerben ohne eine einzige Niederlage zu beenden. Oder mit anderen Worten: sowohl in den Doppeln, als Partner von Monika Kneip beziehungsweise Klaus Schmittinger, als auch im Einzel den Titel zu gewinnen. Heinz Schneider, Conny Freundorfer und Wilfried Lieck: Mit diesen in einem Atemzug genannt zu werden, macht schon Freude.

 

Endspielgegner war im übrigen Eberhard Schöler, der sich - in seinem zwölften DM-Finale - nach gewonnenem ersten Satz und einer 13:5-Führung anschickte, seinen zehnten nationalen Einzeltitel zu erobern. "Ich weiß noch, dass ich zuvor viel zu viel Respekt gezeigt hatte, aber Mitte des zweiten Satzes sagte ich mir: Da muß doch noch was zu ändern sein." In der Zeitschrift des DTTB, Deutscher Tischtennis-Sport, wurden diese Augenblicke damals so beschrieben: "Dann ändert er plötzlich sein Konzept, kann sich endlich auch taktisch besser auf Schöler einstellen und gewinnt zusehends an Sicherheit. Seine Vorhandbälle kommen nicht mehr so überhastet geschlagen; er zieht immer wieder an, nach links, nach rechts, um anschließend Schöler eiskalt und tödlich auf der schwächeren Vorhandseite zu erwischen. Diese Taktik hat Erfolg."

Lang, lang ist es her. 1980 beendete Leiß, dessen größte internationale Erfolge wohl die beiden Silbermedaillen bei Europameisterschaften, zuerst im Doppel, dann mit der Mannschaft, waren, nach 116 offiziellen Länderspielen für den DTTB seine Laufbahn. Als Bundestrainer, zeitweise auch als Leistungssport-Koordinator, arbeitet er bis 1985 für den DTTB. Danach zieht es ihn mit seiner schwedischen Frau nach Norwegen.

In der Nähe von Oslo ist er, der einst Englisch studierte, das Studium aber abbrach und sein Diplom an der Deutschen Sporthochschule Köln erwarb, schon lange zuhause. Früher hatte er einmal Lehrer werden wollen, dann aber davon Abstand genommen - nun aber arbeitet er schon seit langem mit wachsender Begeisterung an einem für künftige Spitzensportler eingerichteten privaten Sportgymnasium: als verantwortlicher Sportchef für insgesamt 22 Sportarten. Zu den Schülern könnte auch seine 16 Jahre alte Tochter Lina gehören, zu deren großen Wünschen es gehört, einmal Mitglied in der norwegischen Nationalmannschaft zu werden - im Fußball.