Richard Prause, der Spieler mit dem Handtuch-Ritual

Ein Journalist beschrieb das feste Ritual einmal so: "Nach jedem Satz kniet er sich nieder, bindet erst den linken, anschließend den rechten Schuh. Mit selbstbewußtem Gang schreitet er zur Handtuchbox, faltet das erst auf dem einen, dann auf dem anderen Oberschenkel abgelegte Objekt, das nicht nur zur Beseitigung des Schweißes dient, exakt dreimal. Nun wird es fein säuberlich glatt gestrichen, und während eines lockeren Tänzelns tupft er sich mit dem akkurat hergerichteten Stück Frottee sein Gesicht in raschem Rhythmus trocken."

Mit dieser Zeremonie pflegt Richard Prause bei jedem Seitenwechsel, so der Beobachter weiter, neue Konzentration zu sammeln. Dies hat sich seit Jahren nicht geändert, und der Beschriebene bestätigte: "Eigentlich mache ich das sogar schon immer."

Die Mehrzahl der 3.000 Zuschauer aber, die mit ihm in der Halle Münsterland das erlebten, was am Ende der Meisterschaften als "seine Sternstunde" bezeichnet wurde, sahen dieses eigenwillige Ritual zum ersten Mal. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt ganz gewiß kein Nobody mehr, hatte sich im Laufe der Saison von der Ersatzbank in den festen Kern der Nationalmannschaft gespielt und sich selbst, "mit einem wirklich guten Gefühl" als "die Nummer 3 ½ " im Nationalkader des DTTB bezeichnet.

Ein halbes Jahr zuvor schon, exakt am 22. September 1992, hatte der Mann mit der McEnroe-Stirn, den der heutige Cheftrainer Dirk Schimmelpfennig mit den Begriffen "Linkshänder, vorhandorientierter Angriffsspieler, Aufschlagspezialist" charakterisiert, knapp und präzise wie stets, sein erstes Länderspiel bestritten: beim 4:0 über die Europaliga-Auswahl der Niederlande in Gelsenkirchen. Da Jörg Roßkopf und Peter Franz nicht spielen konnten, wurde er als Debutant berufen; und daß man beim DTTB zu der Ansicht kam, daß "auch der zweite Anzug passe", war nicht zuletzt ihm zu verdanken - und seinem Sieg über Trinko Keen. Damals hatte er in die Notizblöcke der Journalisten diktiert: "Ich bin überglücklich, habe ich doch lange auf eine solche Chance gewartet. Mir ist jedoch klar, daß ich nicht die erste Wahl bin, wenn alle fit sind. Aber das akzeptiere ich, auch wenn ich natürlich gerne noch einmal spielen würde."

Der Heißläufer hatte nur einen Monat warten müssen, dann trug er den Nationaldreß erstmals auch in einem anderen Land. Insgesamt bestritt er - bis 1997 - 38 Länderspiele, davon 16 in der Europaliga, jeweils sieben bei Welt- und Europameisterschaften und acht beim World Team Cup, bei dem er 1995, sogar einmal im Finale stand. Bei WM und EM das Endspiel zu erreichen, es blieb ihm dagegen verwehrt - doch immer dann, wenn er sich die bronzenen Plaketten aus Göteborg und Birmingham anschaut, stellen sich angenehme Erinnerungen ein.

Dabei hat er, der nach den Erstliga-Stationen Grenzau, Steinhagen, jeweils im Wechselspiel, Ochsenhausen, Hannover und Gönnern, derzeit bei einem Zweitligaklub unter Vertrag ist, den Kontakt zum DTTB niemals verloren. Im Gegenteil. Nach dem Erwerb der Trainer-A-Lizenz hat er sich zu einem Coach entwickelt, den seine Schützlinge überaus schätzen. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich auch außerhalb der Spielbox mit den Problemen der Akteure befaßt - wenn dies von diesen gewollt wird.

Doch zurück zur Halle Münsterland. Damals bestaunte das Publikum nicht nur das oben beschriebene Ritual, sondern auch, so formulierte es der Journalist, seine "Dreistigkeit, gegen Europameister Roßkopf nach drei Sätzen mit 2:1 in Führung zu liegen." Zu diesem Zeitpunkt freilich hätte das Finale sogar schon abgeschlossen sein können: Im zweiten Satz nämlich hatte Prause einen Satzball (zum 21:23!) ausgelassen. "Eine solche Chance, einen Spieler wie Rossi in einem DM-Finale schlagen zu können, hat man nicht alle Tage."

Dennoch: Im nationalen Bereich, in dem er zweimal den Mixed-Titel gewann, ebenso oft das Bundesranglistenturnier und mit dem TTC Grenzau auch den DTTB-Pokal, "war es einer meiner schönsten Erfolge."

Seit drei Jahren schon arbeitet er als Bundestrainer, verantwortlich inzwischen für die Nationalmannschaft der Damen.